FWI-Input zu Politikerrundgang auf der Internationalen Eisenwarenmesse 2024

Unser Input an die Politik: Themen, Erwartungen, Forderungen
Im Fachverband Werkzeugindustrie e.V. (FWI) sind vornehmlich mittelständische Unternehmen organisiert, die sich mit ihren hochspezialisierten Produkten in sehr differenzierten Märkten behaupten. Die deutsche Werkzeugindustrie ist eine Branche mit langer Tradition, in ihren Produkten steckt die Erfahrung jahrzehntelanger Entwicklung. Durch stetige Innovationsbereitschaft sind viele der FWI-Unternehmen an der Weltspitze ihrer Märkte. Dieser Erfolg ist auf dem Boden mittelständischen Unternehmertums gewachsen, in dem sich technologische Kompetenz mit Teamgeist und Durchsetzungskraft verbindet.
Mit ihren 10 Mrd. Euro Umsatz ist die Branche ein beachtlicher Teil der deutschen Industriegesellschaft mit einer Wertschöpfungskette, die von Vorprodukten wie Spezialstählen, Draht und Kunststoffen bis zur Abnahme der Werkzeuge in allen relevanten Industriebereichen der deutschen Volkswirtschaft reicht. Die deutsche Werkzeugindustrie steht damit in Wechselwirkung mit anderen deutschen Industriezweigen und sichert damit Arbeitsplätze und Wohlstand – ihr Erhalt hängt auch von der Existenz vernünftiger politischer Rahmenbedingungen ab. Langlebige Qualitätswerkzeuge made in Germany spielen dazu eine entscheidende Rolle in der Kreislaufwirtschaft, z.B. bei der Wiederverwendung und der Reparatur von Konsum- und Industriegütern.
Aufgrund dieser spezifischen Aufstellung der Branche, stellt die Bewältigung aller Folgen politischer Regulierung eine besondere Herausforderung dar. Denn die Weltmarktorientierung der Werkzeugindustrie verlangt die ständige Auseinandersetzung mit internationaler Handelspolitik, allen Themen europäischer Rechtsetzung, den Herausforderungen der nationalen Transformation zur Klimaneutralität bis hin zu lokalen Themen bei Investitionsentscheidungen, Recruiting und Ausbildung.
Diese Aufgaben müssen von Unternehmen bewältigt werden, die anders als etwa börsennotierte globale Unternehmen nicht große Ressourcen im Overhead ihres Managements vorhalten können. Deswegen treffen inhaltlich gut gemeinte und von den Unternehmen in ihren Zielen geteilte Regulierungsmaßnahmen die mittelständischen Betriebe stärker und belasten sie häufig über den Rand dessen, was sie leisten können.
Im Folgenden nennen wir nur die wichtigsten Themen, für die wir von der Politik Sensibilität und Verständnis erwarten:
1. Bürokratie
Die größte Belastung erwächst aus den ständig steigenden Berichtspflichten aufgrund einer Fülle von nationalen und internationalen Regulierungen, deren inhaltlicher Sinn nicht bestritten wird, deren bürokratischer Ausfluss allerdings zu einem erheblichen Aufwand führt ohne dass dem gewünschten Zweck damit in irgendeiner Weise praktisch gedient wäre.
Dieser bürokratische Aufwand hat sich in den vergangenen beiden Jahren in FWI-Mitgliedsunternehmen nahezu verdoppelt. Ganz aktuell haben wir uns auch deswegen gegen die europäische Lieferkettenrichtlinie engagiert, die anders als vielfach dargestellt auch unsere Unternehmen trifft. Zwar liegt die Unternehmensgröße vieler unserer Mitglieder nominell unter den vereinbarten Schwellenwerten, allerdings wird die Berichtspflicht gleichwohl durch die von uns belieferten Kunden weitergegeben. Eine Berichtskette entsteht, deren Anfang vielfach unsere Unternehmen bilden müssen.
Strukturell ähnlich wachsen die bürokratischen Anforderungen etwa durch die Umsetzung der CSRD-Richtlinie (EU) 2022/2464. Wir stellen die Notwendigkeit nachhaltiger Produktion nicht in Frage und entwickeln unsere Abläufe in diesem Sinne ohnehin ständig weiter, ob aber das jährliche Ausfüllen detaillierter Templates zielführend ist, bezweifeln wir.
2. Freier Handel
Die Unternehmen des FWI stehen erfolgreich im internationalen Wettbewerb. Umso mehr sind dort Chancengleichheit und die Gewährleistung eines Level-Playing-Field von entscheidender Bedeutung.
Besonders wichtig sind dabei derzeit folgende Themen:
CBAM: Die Werkzeugindustrie hat ein dringendes Interesse an einem funktionierenden Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) an den europäischen Grenzen. Der nachhaltige Erfolg des europäischen ETS in den Klimabilanzen treibt mit dem Zertifikatepreis auch die Preise für Stahl, einem der Basisprodukte in der Werkzeugindustrie. Diese Verteuerung macht den Import ohnehin schon auf Dumpingpreisen kalkulierter Werkzeuge aus außereuropäischen Ländern noch günstiger. Nur mit einem angemessenen CBAM auch für Downstream-Produkte wie fertige Handwerkzeuge wird hier das Level-Playing-Field wieder erreicht und deutsche Qualitätsprodukte bleiben dadurch wettbewerbsfähig.
PFAS: Das in der EU-Chemikalienverordnung REACH angeregte Verbot von Per- und
Polyfluoralkylverbindungen (PFAS) betrifft auch die Werkzeugindustrie, u.a. Baubefestigungen sowie Messer und Klingen. Sollte das seitens der ECHA vorgeschlagene Verbot dieser über 10.000 Substanzen ausnahmslos so umgesetzt werden, würde dies z.B. das vollständige Verschwinden der Produktion von Schleif- und Trennscheiben in Deutschland bedeuten.
PFAS werden häufig auch in Herstellungsprozessen verwendet und nicht nur als Bestandteil im Fertigprodukt. Ein Verbot bestimmter chemischer Produktionshilfsmittel führt zu Produktionsverlagerungen ins Ausland, wodurch Wertschöpfung in Deutschland verschwindet, die dann ökologisch dauerhaft ungesichert ins Ausland verlagert wird.
Digitale Vertriebsplattformen: Die mangelnde Regulierung bzw. Kontrolle global agierender Vertriebsplattformen und Online-Händler bedroht die Erhaltung eingeführter Qualitätsstandards deutscher Werkzeugprodukte. Die Vollstreckung deutscher Gerichtsurteile bei Schutzrechtsverletzungen durch Plagiate insbesondere aus Asien sind auf Grund der Registrierung der Plattformen im Ausland derzeit quasi unmöglich.
Zollpolitik: Angesichts protektionistischer Tendenzen etwa bei drohendem Regierungswechsel in den USA können Strafzölle wieder auf die Agenda der internationalen Handelspolitik kommen, die das Exportgeschäft auch der deutschen Werkzeugindustrie schwer belasten würden. „Streitbaustellen“ wie die von der WTO sanktionierten Airbus-Subventionen müssen rechtzeitig beseitigt werden.
3. Energiepreise
Hohe Energiepreise belasten die gesamte Wirtschaft. Die Werkzeug-Industrie ist nicht bei den energieintensiven Unternehmen registriert, deswegen erreichen die Maßnahmen der angedachten Strompreisbremse unsere Unternehmen nicht im nötigen Umfang, auch wenn die Senkung der Stromsteuer eine erste Entlastung darstellt. Sie gleicht die Unterschiede der gesamten Energiepreise im internationalen Vergleich nicht aus. Auch wenn die Versorgungssicherheit beim Gas gegeben ist, so bedeutet die Umstellung auf importiertes LNG ein dauerhaftes Kostenrisiko. Hohe Energiekosten sind ein negativer Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit.
Eine in den letzten beiden Jahren erlebte und auch in der Zukunft einzukalkulierende Verdoppelung der Energiekosten löst zum Beispiel bei einem Schraubendreher eine Verteuerung der gesamten Produktion um 14% aus, was im Ergebnis der einzelnen Unternehmen den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust beim Jahresergebnis ausmacht und damit die Wettbewerbsfähigkeit von Werkzeugen „made in Germany“ auf dem internationalen Weltmarkt bedroht.
Wir brauchen weitere Entlastung, etwa bei den Netzentgelten, die im internationalen Vergleich sehr hoch sind.
4. BAFA-Anträge
Ein weiteres Ärgernis ist die Bearbeitung von BAFA-Anträgen. Die Förderprogramme des BAFA sind prinzipiell geeignet und notwendig zur Unterstützung des deutschen Mittelstands. Die mit der Beantragung verbundene Informations- und Dokumentationspflicht ist aber gerade für kleinere Unternehmen dermaßen hoch, dass dies über mehrere Monate die Kapazität von mehreren Mitarbeitenden bindet. Die Komplexität der Anträge verlangt den Aufbau einer eigenen Antrags-Expertise oder die Hinzuziehung eigens dafür gegründeter Dienstleister. Zudem ist der Prüfungsprozess der Anträge durch externe beauftragte Dienstleister oftmals suboptimal auf Grund deren fehlender technischer Expertise.
Es bedarf einer grundlegenden Entrümpelung dieses Antragswesens, bei dessen Revision wir das Know-How unserer Unternehmen zur Verfügung stellen können.