FWI-Positionspapier zu den katastrophalen Auswirkungen der derzeitigen Energiepreise auf die deutsche Werkzeugindustrie
Der Fachverband Werkzeugindustrie e.V. (FWI) ist die verbandliche Organisation der Werkzeughersteller in Deutschland und somit die zentrale Interessenvertretung für Unternehmen der Branche. Aktuell betreuen wir rund 150 Mitgliedsunternehmen. Die deutsche Werkzeugindustrie erwirtschaftete insgesamt einen Umsatz von über €5.6 Mrd. und beschäftigte mehr als 34.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in 2021.
Unterstützung der Politik jetzt notwendig
Die derzeitigen Strom- und Gaspreise bedrohen in hohem Maße die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Werkzeugindustrie. Viele der mittelständisch geprägten Unternehmen sehen sich mit Kostensteigerungen bei neuen Versorgungsverträgen von bis zu 1.000% im Vergleich zur vorherigen Vertragsperiode konfrontiert.
Die derzeitige Unsicherheit auf den Märkten führt darüber hinaus dazu, dass viele Unternehmen noch keinen neuen Liefervertrag für das Jahr 2023 haben abschließen können. Auf Grund des internationalen Wettbewerbsdrucks insbesondere mit asiatischen Werkzeugherstellern könnten diese Kostensteigerungen nur in sehr begrenztem Maße über Preiserhöhungen weitergegeben werden.
Dies bedroht die Existenz vieler Betriebe und wird zahlreiche Unternehmen in die Insolvenz treiben.
Der Fachverband Werkzeugindustrie fordert daher die Politik zum dringenden Handeln auf:
• Die Kopplung des Strompreises an den Gaspreis muss aufgeboben werden: Anpassung des Merit-Order Systems durch Begrenzung des Erdgaspreises
• Die Vorschläge der EU-Kommission zur Transformation des Energiesystems in Europa müssen zügig umgesetzt werden.
Hintergrund: Extrem hohe Energiepreise
Vor dem Hintergrund der verringerten Gaslieferungen aus Russland über die Pipeline Nordstream 1 ist der Gaspreis in den vergangenen Wochen von 80 €/MWh auf über 180 €/MWh gestiegen. Der Erdgaspreis für einen Jahreskontrakt 2023 lag bereits vor der Wartung der Pipeline bei 147 €/MWh und hat nach der aktuellen Halbierung der Durchleitungen auf 20% der Kapazität einen Betrag von 154 €/MWh überschritten. Dies drängt immer mehr mittelständische geprägte Unternehmen in den Spotmarkt mit der damit verbundenen Volatilität, da Festverträge derzeit nur zu extrem hohen Konditionen zu realisieren sind.
Die Entwicklung des Gaspreises wird durch das derzeit geltende Preisbildungsmodell Merit-Order direkt auf den Strompreis übertragen. Nach Berechnungen des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung e.V. lag der Arbeitspreis für Strom in den Vorkrisenjahren um 30 bis 45 €/MWh. Durch die Gasverknappung liegt der Börsenpreis inzwischen teilweise bei dem Zehnfachen, am Spotmarkt bei 365 €/MWh (Base) und 432 €/MWh (Peak). Für den Strombezug im Jahr 2023 werden aktuell um 370 €/MWh aufgerufen, vor der Reduzierung der Gasflüsse waren es bereits 220 €/MWh.
Diese enormen Preissteigerungen infolge der Kopplung des Strompreises an den Gaspreis führt zu enormen Zusatzgewinnen u.a. für Betreiber von fossilen Kohlekraftwerken auf Grund ihrer niedrigeren Stromerzeugungskosten. Dies geschieht auf dem Rücken der mittelständischen Industrie und ihrer Mitarbeiter*innen, die in ihrer Wettbewerbsfähigkeit bedroht sind.
Sofortmaßnahmen der Politik
Derzeit verhandeln viele Unternehmen der Werkzeugbranche ihre Energieversorgung für das Jahr 2023. Zu den derzeitigen Konditionen ist dies für viele Unternehmen nicht umsetzbar. Von daher ist es von höchster Relevanz, die Preisentwicklung der Energiepreise abzufedern.
Dies ist möglich über eine temporäre Begrenzung des Erdgaspreises in der Stromerzeugung, im Einklang mit dem REPowerEU-Maßnahmenkatalog der EU-Kommission. Das Hilfspaket für die von den durch den Ukrainekrieg hohen Energiepreisen betroffenen Unternehmen ist zeitlich auf September 2022 begrenzt, es wirkt also im nächsten Jahr nicht. Auch dürfte es nicht gelingen, sämtliche Gaskraftwerke durch die reaktivierte Kohleverstromung aus dem Markt zu nehmen, da einige Gaskraftwerke systemrelevant sein werden.
Der FWI unterstützt die derzeitigen Diskussionen und Analysen auf Europäischer Ebene, das Merit-Order Marktdesign potentiell mittelfristig anzupassen. Auf Grund der Dringlichkeit der Lage für metallverarbeitende Unternehmen wie die Werkzeugbranche ist es jedoch unabdingbar, zum jetzigen Zeitpunkt in den Markt einzugreifen und die künstliche Steigerung des Strompreises durch den Gaspreis zu beenden.
Es muss verhindert werden, dass Teile der deutschen Industrie Krisengewinne realisieren zu Lasten von nicht zuletzt stark mittelständisch geprägten Industriebranchen.
Gerne stehen wir für den weiteren Austausch zur zentralen Frage der Energiepreise zur Verfügung.
Ihr Ansprechpartner:
Stefan Horst
Geschäftsführer
Tel: +49 2191 438-21
Mobil: +49 160 91 69 39 39
E-Mail: stefan.horst@werkzeug.org