FWI-Positionspapier zu PFAS-Beschränkungen

Die Notwendigkeit eines risikobasierten Ansatzes bei möglichen Beschränkungen auf EU-Ebene

Die Werkzeugindustrie in Deutschland

Der Fachverband Werkzeugindustrie e.V. (FWI) ist die verbandliche Organisation der Werkzeughersteller in Deutschland.

Wir vertreten mehr als 100 Unternehmen in Deutschland, die Werkzeuge (z.B. Handwerkzeuge, Maschinenmesser, Zubehörwerkzeuge für Elektrowerkzeuge) und Befestigungsmittel (z. B. Dübel, Holzschrauben) für fast alle Industriezweige und viele Verbraucheranwendungen herstellen. Insgesamt erwirtschaftete die deutsche Werkzeugindustrie einen Umsatz von über €9,8 Mrd. und beschäftigte rund 57.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in 2022.

Ein risikobasierter Ansatz statt pauschaler Verbote gesamter Stoffgruppen

Der FWI begrüßt ausdrücklich das Ziel, den Eintrag toxischer Substanzen in die Umwelt aus Industrieprozessen und der Verwendung von Produkten weiter zu verringern.

Der bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA im Januar 2023 eingereichte Vorschlag einer pauschalen Beschränkung des Einsatzes von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), unabhängig von ihrer Toxizität und ihrem Risikoprofil, hat jedoch massive Auswirkungen auf unzählige Produkte und Prozesse mit unabsehbaren Folgen für gesamte Produktions- und Lieferketten.

Der FWI hält daher eine pauschale Beschränkung für unverhältnismäßig und fordert stattdessen einen risiko- und stoffbezogenen Ansatz bei der möglichen Beschränkung einzelner Substanzen. Dies sollte insbesondere bei der finalen Bewertung des Beschränkungsvorschlags durch die Europäische Kommission und die Prüfung durch die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament sichergestellt werden.

Hintergrund

Im Januar 2023 haben Behörden aus Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden bei der Europäischen Chemikalienagentur ECHA einen Beschränkungsvorschlag für PFAS eingereicht. Betroffen ist die gesamte Stoffgruppe, die rund 10.000 unterschiedliche Verbindungen umfasst.

Die Kernaussagen des Beschränkungsvorschlags sind hierbei:

·         Geplantes Verbot von Herstellung, Einfuhr, Inverkehrbringen und Verwendung von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen und – ab einer bestimmten Konzentrationsgrenze – auch als Bestandteil anderer Stoffe, in Gemischen und in Erzeugnissen.

·         Zeitlich befristete Ausnahmeregelungen sind nur für wenige spezifische Verwendungen vorgemerkt.

·         PFAS kommen in zahlreichen Verbraucherprodukten wie Verpackungen, aber auch als Bestandteil vieler industrieller Spezialanwendungen zum Einsatz.

·         PFAS zerfallen unter natürlichen Umweltbedingungen nicht und können gesundheitsgefährdend wirken. Die EU möchte deshalb den regulatorischen Rahmen verschärfen und strebt einen Ausstieg aus der Stoffgruppe der PFAS an.

Im Rahmen einer Konsultation hat die ECHA betroffenen Stakeholdern bis zum 25. September 2023 die Möglichkeit gegeben, den Beschränkungsentwurf zu kommentieren. Der FWI hat sich an dieser Konsultation mit einer detaillierten Bewertung des Beschränkungsvorschlags beteiligt.

Die Betroffenheit der FWI-Mitgliedsunternehmen

Die Hersteller von Handwerkzeugen haben PFAS in ihren Produkten und Herstellungsprozessen erfolgreich ersetzt, wo immer dies möglich war. Es gibt jedoch eine bestimmte, begrenzte Anzahl von Produkten und Prozessen, bei denen ein Ersatz aus technischen Gründen nicht ohne schwerwiegende nachteilige Auswirkungen möglich ist.

Die geplante Beschränkung würde die zukünftige Verfügbarkeit dieser Produkte auf dem Markt daher massiv beeinträchtigen und den Fortbestand einiger Unternehmen ernsthaft gefährden.

Im Betreuungsbereich unseres Verbands betrifft dies insbesondere die folgenden Produktkategorien:

Bauprodukte

Bestimmte Baubefestigungen (z. B. Metalldübel, Betonschrauben, Holzschrauben für bestimmte Anwendungen) erfordern PFAS-haltige Beschichtungen. Ohne diese tragen die Dübel und Holzschrauben u.a. nicht die erforderlichen statischen, dynamischen und seismischen Belastungen und gewährleisten nicht die sichere Funktion und den Korrosionsschutz für eine geforderte Lebensdauer von 50 Jahren oder mehr. Die Folge wären statisch unzureichende Verbindungen zwischen Bauelementen mit Gefahr für Menschenleben, Gesundheit und Sachschäden.

Alternative Beschichtungen, die diese Anforderungen erfüllen, sind derzeit nicht verfügbar und würden eine umfangreiche bauaufsichtliche Neu-Testung aller Produkte und eine Neuausstellung von Hunderten von Europäischen Technischen Bewertungen mit sich ziehen. Eine Ausnahmeregelung für Baubefestigungen ist damit notwendig, um genügend Zeit für die Entwicklung, Testung und Zulassung von Alternativen zu ermöglichen.

Messer und Klingen

Bestimmte Messer und Klingen, die z. B. in Lebensmittelverarbeitungsmaschinen verwendet werden, benötigen ebenfalls eine chemisch und mechanisch stabile PFAS-haltige Beschichtung. Ohne diese wären die Messer nicht für die Lebensmittelindustrie mit ihren hohen Anforderungen an Hygiene, chemische Stabilität, Verschleißfestigkeit, Korrosionsschutz und Beständigkeit gegen aggressive Reinigungsmittel geeignet.

Die Folge wäre, dass bestimmte Produkte (Käse, Fleisch, Wurst etc.) in der Lebensmittelindustrie nicht mehr industriell geschnitten werden können und diese Produkte somit für den Verbraucher nicht mehr verfügbar wären. Dies würde u.a. zu Engpässen bei der Lebensmittel-Verfügbarkeit und Preissteigerungen führen. Daher ist die Herstellung solcher Messer der kritischen Infrastruktur zuzuordnen.

Alternative Beschichtungen, welche die Anforderungen erfüllen, sind derzeit nicht verfügbar. Eine ähnliche Situation ist bei Messern und Werkzeugen, die zum Schnitt von Gummi und Reifen benötigt werden. Daher fordern wir eine Ausnahmeregelung für beschichtete Messer und Klingen, um genügend Zeit für die Entwicklung von Alternativen zu ermöglichen.

Oftmals Unklarheit über Verwendung von PFAS

Aufgrund der großen Bandbreite der unter PFAS zusammengefassten Stoffe sind insbesondere kleinere Unternehmen noch mit Nachforschungen beschäftigt, ob sich z.B. in Vorprodukten geringe Mengen von PFAS als Produktbestandteil befinden.  

Daher ist es notwendig, im Falle einer Beschränkung bestimmter PFAS-Stoffe betroffenen Unternehmen genügend Zeit zu geben, Ausnahmeregelungen zu beantragen, wenn die schädlichen Auswirkungen eines PFAS-Verbots schwerwiegender sind als die Vorteile einer PFAS-Einschränkung.

Unsere Empfehlungen für die Bewertung des Beschränkungsvorschlags

1. Für PFAS sollte ein risiko- und stoffbezogener Ansatz gewählt werden. Wir halten die vorgeschlagene pauschale Einschränkung aller PFAS, unabhängig von ihrer Toxizität und ihrem Risikoprofil, für unverhältnismäßig.

2. Der Einsatz von PFAS muss so lange möglich bleiben, wie keine geeigneten und technisch ausgereiften Ersatzstoffe in großem Umfang zur Verfügung stehen und die nachteiligen Auswirkungen eines PFAS-Verbots höher sind als die Vorteile einer PFAS-Einschränkung überwiegen.

3. Eine langfristige allgemeine Ausnahmeregelung mit Überprüfung vor dem Auslaufen von Fluorpolymeren ohne relevantes Risiko ist notwendig.

4. Ein klar definiertes Verfahren für die Beantragung, Überprüfung und Verlängerung von Ausnahmeregelungen ist entscheidend, insbesondere im Falle einer weitreichenden Einschränkung auf bisher nicht deklarationspflichtige Stoffe. Die derzeit vorgesehenen Ausnahmeregelungen sind aufgrund der beschränkten Ressourcen von kleinen und mittelständischen Unternehmen unzureichend.

5. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, sollten mögliche Beschränkungen durch das Marktüberwachungssystem wirksam durchgesetzt werden bzw. von vornherein die Kontroll- und Durchsetzungsmöglichkeiten der Behörden in der Praxis berücksichtigen.

Gerne stehen wir für den weiteren Austausch zur Verfügung.

Ihr Ansprechpartner:

Stefan Horst
Geschäftsführer

Tel: +49 2191 438-21
Mobil: +49 160 91 69 39 39
E-Mail: stefan.horst@werkzeug.org

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